Wie lernen Kinder an unserer Schule das Lesen?
Schule wird ja landläufig mit den Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen eng verbunden. Wir können Ihnen schon jetzt sagen: Alle Kinder bekommen von Anfang an Leseunterricht.
Für die besondere Situation in unserer Schulart soll Ihnen diese Information eine Hilfe bieten.

Was bedeutet 'Lesen'?
Der Vorgang des Lesens kann weit gefasst werden.
Lesen heißt: Einen Fingerzeig oder ein Mienenspiel zu verstehen und sich danach zu richten. Ein Foto oder ein Zeichen richtig zu deuten, gehört ebenfalls dazu. Und auch: Abstrakte Lautzeichen (Buchstaben) so zusammenfügen zu können, dass ein Wort oder ein Text daraus entsteht.

Was macht das Lesenlernen für geistig behinderte Kinder und Jugendliche so schwer?
Es gab schon Jugendliche, welche selbständig eine kleine Rede vor Publikum halten konnten, denen es aber trotz intensiven Übens nicht möglich wurde, sich auch nur wenige Buchstaben einzuprägen. Viele andere individuelle Beispiele könnten an dieser Stelle beschrieben werden.

Wo können die Ursachen gesucht werden?
Ganz bestimmt und grundlegend in der geistigen Behinderung selbst, wodurch abstrakte, übergeordnete Gedankengänge eben sehr beeinträchtigt, wenn nicht unmöglich werden. Um aus einzelnen Zeichen einen sinnhaften Lautzusammenhang (Wort) zu gewinnen, bedarf es aber übergeordneter (abstrakter) Denkvorgänge.
Weiterhin ist die Merkfähigkeit (für abstrakte Zeichen und deren Umsetzung in Laute) sehr gefordert und vor allem die Wahrnehmungsfähigkeit bedarf einer gewissen Schulung (z.B. differenziertes Hören und Sehen), sonst bilden Buchstaben wie p/b, d/g oder gar Lautverbindungen wie ie/ei über lange Zeit eine Quelle der Unsicherheit.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Fähigkeit zum deutlichen Sprechen als eine der Grundlagen für den Lesevorgang.
Im Leseunterricht wird an diesen Voraussetzungen gearbeitet, vor allem aber auch in allen alltäglichen Unterrichtssituationen.

Ein unverzichtbares Element unserer Pädagogik ist das Prinzip der Anschaulichkeit. Dieses gilt auch für das Lesenlernen!

Das Kollegium einigte sich auf das Hand-Mund-System beim Erstleseunterricht: Jeder Buchstabe (zunächst nur Großbuchstaben) wird einer bestimmten Handbewegung zugeordnet. Sprache wird somit durch eine anschauliche Bewegungsabfolge begleitet. Das Wort und seine einzelnen Laute werden sozusagen sichtbar. Gute Erfolge können mit dieser Methode des Erstlesens erzielt werden, an dem sich so viel für den weiteren Leseerfolg entscheidet.

Viele Kinder, welche zum lautverbindenden Lesen kommen können, gelangen während ihrer Hauptstufenzeit dazu. Also im Alter zwischen 10 und 15 Jahren. Oft ist nämlich erst dann die kognitive Entwicklung so weit fortgeschritten, dass der Leseprozess auch bewältigt werden kann.

Dort, wo eine grundlegende Überforderung des Schülers offensichtlich wird, führen Beratungen unter den Lehrkräften (unter Einbeziehung der Eltern) weiter. Es wird überlegt, wie die Fähigkeit des Lesens in der Zukunft weiter sinnvoll gefördert werden kann, z.B. indem Signalworte oder Ganzworte den neuen Schwerpunkt des Lesens bilden.

Zum Schluss ....
Unser methodischer und konzeptioneller Ansatz ist der sogenannte Gesamtunterricht. In Bezug auf das Lesen heißt dies: Das Üben und das Erarbeiten der Grundlagen geschieht unter Einbeziehung der Inhalte des aktuellen Unterrichts (z.B. eines Schwerpunktthemas oder eines Projektes). Gezielt geübt wird aber das Lesen i.d.R. in gesonderten Lesestunden, oft in homogenen Gruppen.

Nicht alles kann in diesem Rahmen befriedigend beantwortet werden. Vor allem ist jedes Kind ein spezielles 'Lesekind'. Bitte wenden Sie sich an Ihre Klassenlehrerin bei weitergehenden Fragen.

Für Ihr Interesse bedanken wir uns!